Sternstunden unter freiem Himmel

Erlebnisbericht: Alpines Campen in der Silvretta Montafon
Dienstag, 24 Mai 2016

Die letzten Wanderer sind bereits ins Tal zurückgekehrt. Es wird still. Ein sanfter Wind rauscht über die Alpwiesen. Der Berg kommt zur Ruhe.

Wir sind eine kleine Gruppe von neun Personen, die sich für das Bergerlebnis Alpines Campen angemeldet haben: Eine Familie mit drei Jungs und ein Ehepaar mit Tochter, die heute Geburtstag hat. Guide Raimund erwartet uns um 16 Uhr an der Versettla Bahn Bergstation in Gaschurn. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde heißt es zuallererst Ausrüstung checken. Raimund versorgt alle Teilnehmer mit Zelten, Isomatten, Schlafsäcken, Stirnlampen und Klettergurten. Im benachbarten Bergrestaurant Nova Stoba holen wir unseren Proviant für den Abend ab. Chefkoch Kurt Woltsche und sein Team haben bereits alles für unseren Abendschmaus bereitgestellt: angefangen von marinierten Fleischspezialitäten, über Weckgläser mit geschmackvoll graniertem Kartoffelsalat und selbstgemachter Senfsauce, bis hin zu selbstgebranntem Schnaps. Jeder verstaut etwas davon in seinem Rucksack. Endlich geht das Abenteuer los!

Klettersteig Burg
Wir marschieren den steilen Hang Richtung Burgkopf hinauf. Raimund zeigt uns den Platz, an dem wir später unsere Zelte aufbauen werden. Zuvor wollen wir aber den Klettersteig Burg bezwingen. Der Einstieg liegt etwa eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt. Rein in den Hüftgurt und ran an die Karabiner! Nach einer Einführung in die Grundtechniken erklimmen wir die ersten Klippen. Der Klettersteig ermöglicht uns atemberaubende Blicke auf die Heimspitze, Madrisella, Versettlaspitze und auf die dahinter liegenden mächtigen 3000er der Silvrettagruppe. Sogar der blitzblaue Silvretta Stausee ist von hier aus zu sehen! Auf einem Fels in der Ferne erspähe ich die Umrisse einer Gams.

Sonnenuntergang und Lagerfeuer
Als langsam die Dämmerung ins Tal zieht, schlendern wir auf dem Panoramaweg zu unserem Lager zurück. Eigentlich bin ich schon müde und hungrig. Ich möchte aber am Berg bleiben. Das bedeutet, uns steht noch einiges an Arbeit bevor und die Nacht und die damit verbundene Dunkelheit bricht bereits herein. Holz sammeln, Feuer machen, Zelte aufbauen und Essen vorbereiten. Wer hätte gedacht, dass Teamwork und Gemeinschaftsgefühl heute so bedeutend sein werden. Ich fange die letzten Sonnenstrahlen mit meiner Kamera ein, bis mir ein herrlicher Geruch von Grillfleisch entgegenweht. Zeit zurück zur Gruppe zu gehen.
In einer gemütlichen Runde sitzen wir an einem windgeschützten Platz rund ums Lagerfeuer. Das Grillen mitten in den Bergen – die Zivilisation weit entfernt – habe ich mir etwas anders vorgestellt. Mit einem Festschmaus wie diesem hat wohl keiner gerechnet. Weingläser, Silberbesteck und Holzbrettchen: Raimund und das Team der Nova Stoba haben an alles gedacht. Nach einem gemütlichen Abend mit netten Gesprächen ziehen wir uns – für einen hoffentlich erholsamen Schlaf – in die Zelte zurück.

Ein neuer Tag beginnt
Diese Ruhe und die Gewissheit fern ab von allem anderen zu sein, ist eine ganz neue Erfahrung für mich und den Rest der Gruppe. So fühlt sich für mich Freiheit an. Um 06.30 Uhr kitzeln mich die ersten Sonnenstrahlen an der Nase. Ich schaffe es gerade noch mit meiner Kamera vor das Zelt, bevor die Sonne gänzlich zu sehen ist. Nach und nach raffen sich die anderen Teilnehmer aus den Zelten und genießen schweigend das einzigartige Gefühl ganz alleine am morgendlichen Berg zu sein. In diesem Augenblick bleibt die Zeit stehen. Mein Magen ist dagegen: die Uhr dreht sich weiter und ich bekomme Hunger. Wir bauen gemeinsam das Lager ab und machen uns auf den Weg Richtung Nova Stoba. Dort wird ein ausgiebiges, geradezu kaiserliches Frühstücksbuffet aufgetischt. Wir sitzen allesamt auf der Terrasse und lassen dieses unvergessliche Erlebnis Revue passieren.



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