Jörn Perschbacher 0 Montafon Totale Trail, Bergsommer

Warum es sich lohnt hier an den Start zu gehen

47 km. 4200 Hm. Die Zahlen sind für sich genommen schon heftig. Ich meine, wer läuft freiwillig weiter als eine Marathondistanz und dann auch noch mit 4200 aufsteigenden Höhenmetern? Ok, Ultraläufer gibt es schon so einige. Und Ultraläufe auch. Aber das Strecke-zu-Höhenmeter-Verhältnis beim Montafon Totale Trail hat es trotzdem ganz schön in sich. Warum es sich trotzdem lohnt hier an den Start zu gehen, kann ich euch erzählen.

 

Die Vorgeschichte

2019 hätte es eigentlich schon mal soweit sein sollen: Meine Freundin und ich standen an der Startlinie des Montafon Totale Trail. Beide top vorbereitet - ok, sie mehr als ich - und beide hoch motiviert - auch hier: Sie mehr als ich. ;)

Nach dem ersten langen Anstieg erreichten wir das Kreuzjoch. Ein kurzes Pärchenselfie am ersten Gipfel - ja, muss auch im Rennen sein - und weiter sollte es gehen. Doch nur wenige Sekunden später lag meine Freundin einige Meter weiter unter mir. Sie stürzte vom Kreuzjoch auf einen darunter liegenden Trail ab. Und ich sah alles mit an.

Ich will die Details jetzt nicht weiter ausführen. Zum Glück ging am Ende alles einigermaßen glimpflich aus und dank des schnellen Einsatzes der Bergrettung, der wir heute noch mehr als dankbar sind, war sie zügig in der Klinik und konnte sechs Wochen später wieder langsam mit dem Training anfangen. Glück im Unglück. Aber das Rennen war an dieser Stelle natürlich vorbei.

 

Montafon Totale Trail Part 1: Übers Kreuzjoch nach St. Gallenkirch

2020 hätte eigentlich der zweite Versuch starten sollen. Ich muss jetzt nicht nochmal breittreten, warum der nicht zustande gekommen ist. Da der Montafon Totale Trail aber 2021 stattfinden soll und Vorbereitung ja bekanntlich die halbe Miete ist, dachten wir uns: Schauen wir uns die Strecke doch mal genauer an.

Also hieß es für uns Mitte September 2020: Sachen packen und ab in Richtung Süden. Das Wetter sollte nochmal richtig gut werden und wir waren sehr gespannt, wie wir die Strecke erleben würden - und wie es uns oben am Kreuzjoch gehen würde.

Mit einem ausgiebigen Hotelfrühstück im Bauch ging es dann Samstag zeitig los. Der erste Anstieg war ja soweit bekannt und führte steil, aber über schöne Wurzeltrails in Richtung Zamang Bahn Bergstation. Ab hier wirds dann endlich alpiner. Baumfreie Trails schlängeln sich grandios hoch zum Grat vor dem Kreuzjoch.

Hier gibts die erste kleine Überraschung: Ich konnte mich tatsächlich nicht mehr dran erinnern, dass es hier auf einen eher schwierigen, weiß-blau-weiß gekennzeichnet, Bergweg ging. Normalerweise halte ich von diesen Wegen Abstand. Aber gut, ich bin ja schon mal drüber, da sollte das jetzt auch kein Problem sein. Und tatsächlich: Es klappt soweit gut und wir kraxeln in Richtung der Stelle, an der damals der Unfall passierte.

 

Gemischte Gefühle...

Am Kreuzjoch endet der erste Hauptanstieg. 1700 Höhenmeter habt ihr dann schon in den Beinen - auf knapp 14 km. Eine ganz schön ordentliche Nummer bis hier. Als wir am Gipfelkreuz ankommen, sind wir beide bemerkenswert ruhig und gefasst. Ein gutes Zeichen, würde ich sagen. Wir bleiben noch kurz hier, meine Freundin schaut sich die Unfallstelle nochmal genauer an - viel weiß sie von dem Sturz nicht mehr. Nach einigen Minuten geht es weiter. Sieht so aus, als hätten wir das Ganze hinter uns gelassen.

Ich möchte mich an dieser Stelle schon mal entschuldigen. In den nächsten Absätzen und streng genommen bis zum Schluss, werde ich oft Superlative nutzen, um die Wege zu beschreiben, die wir ab jetzt ablaufen werden. Aber es geht einfach nicht ohne.

Zwischen Kreuzjoch und Zamangspitze eröffnet sich ein wahres Trailparadies. Wundervolle Flowtrails, hin und wieder mal ein wenig unproblematische Kraxelei und ein Panorama, das seinesgleichen sucht. Das hier ist purer Spaß. Kurz nach der Zamangspitze erreichen wir die Grasjochhütte. Hier ist erstmal Pause angesagt: Hüttenschmankerl!

Gestärkt mit Kaffee und Kuchen geht es noch ein paar Höhenmeter weiter hoch und dann erstmal laaange bergab. Der Downhill nach St.Gallenkirch ist relativ technisch und für mich nicht immer gut laufbar, aber ich bin auch kein wirklicher Maßstab was Downhillrunning angeht.

Sieben Kilometer und 1300 Höhenmeter weiter unten sind meine Oberschenkel müde. So ein langer Downhill schlaucht und ich bin eigentlich ganz froh, dass wir die zweite Hälfte der Strecke am nächsten Tag machen werden. Mit vielen schönen Eindrücken im Kopf geht’s zurück ins Hotel. Essen und Schlafen sind jetzt angesagt.

 

Montafon Totale Trail Part 2: St. Gallenkirch bis zur Nova Stoba

Sonntagmorgen. Das gleiche Spiel. Aufstehen, Frühstück und ran an den Speck… also, den Trail. Ein wenig Ernüchterung macht sich breit, denn der nochmal 1300 HM starke Anstieg von St. Gallenkirch hoch zum Valisera Hüsli verläuft zu sehr großen Teilen auf breiten Schotterwegen. Nicht ganz so schick wie gestern, aber natürlich auch verständlich: Man muss ja auch mal Meter machen!

Vom Valisera Hüsli geht's ebenfalls auf Schotterwegen bergab in das Vermieltal, das sich sanft ansteigend nach Süden erstreckt. Weitere 700 Höhenmeter liegen vor uns, allerdings wenig steil und daher gut laufbar - sofern man noch Kraft hat. Ab hier wird’s dann wieder malerisch. Der Vermielbach säumt den Weg, ein kleiner See erscheint und überall liegen großen Felsbrocken in der Gegend herum. Eine tolle Szenerie.

Oben am Matschuner Joch ist dann erstmal wieder staunen angesagt. Wir sehen deutlich, wie sich der Trail zurück in Richtung Nova Stoba schlängelt, dem Ziel des Montafon Totale Trail. Und was ist das für eine Schönheit. Spätestens hier gibts kein Halten mehr: Mein Finger wandert eigentlich an jeder Ecke zum Kameraauslöser und wir machen Fotopause um Fotopause. IST DAS GENIAL!

Gut, dass wir nicht im Rahmen des Laufs hier sind, da haben wir wenigstens Zeit für solche Späße. Bis zum Ende komme ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Es ist ein wahres Trailparadies. Meine ausdrückliche Empfehlung an alle, die noch nicht wissen ob Ultra oder nur die 33 km Variante: Lauft den Ultra! Wenn nicht, verpasst ihr was. Und hebt euch noch ein paar Körner auf - diese Trails wollt ihr laufen. Glaubt mir!

Nachdem wir nun auch den zweiten Teil des Montafon Totale Trails in den Beinen haben, gibt es bei uns jedenfalls keinen Zweifel mehr: Bis auf den zweiten Anstieg, ist die Strecke einfach der pure Wahnsinn und wir haben extrem viel Bock drauf, nächstes Jahr diesen Ultra zu laufen.

Ich hoffe, euch hat unsere kleine Streckenbesichtigung gefallen. Wir lesen uns im Frühjahr 2020 wieder und ich bin gespannt, wie ich bis dahin im Training bin.

 

Machts gut und bis dann,

Euer Fuchs.



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Jörn Perschbacher läuft die Strecke des Montafon Totale Trail ab und berichtet darüber. | © Silvretta Montafon © Jörn Perschbacher
Autor

Jörn Perschbacher

Tach auch, der Jörn hier. Gebürtiger Hesse, inzwischen wohnhaft in Tübingen und damit schon ein gutes Stück näher an der Bergwelt als früher. Das Montafon erkunde ich jetzt seit einigen Jahren in der Regel in Trailrunningschuhen und muss schon sagen: die Trails hier sind erste Sahne! Apropos Sahne - meine zweite große Leidenschaft neben dem schnellen Rumrennen in den Bergen ist Süßgebäck aller Art. Kaiserschmarrn auf einer Montafoner Berghütte? Count me in! ;)