Annika 0 Baustellen-Blog, Blick hinter die Kulissen

Wir machen der Silvretta Bahn Beine!

Okay, bis jetzt war es immer ganz interessant auf der Baustelle. Aber heute! Das ist Nervenkitzel pur! Ich versuche meine Begeisterung in Zaum zu halten und beginne von vorne.


Stütze 15 und 16 – die letzten zwei Stützen vor der Bergstation – sind schon fertig. Gut zugänglich, konnten die Arbeiter das mit dem LKW und Kran erledigen. Doch heute steht eine ganz andere Nummer auf der Agenda. Nämlich die Stützen montieren, die in schwer zugänglichem Gelände geplant sind…

 

10.00 Uhr: Einsatzbesprechung

Der technische Leiter, Roman Sandrell, klärt mit dem zukünftigen Betriebsleiter der Silvretta Bahn, Wolfgang Rudigier, und den zwei Montageleitern von Doppelmayer die letzten Details. Der Flugplan steht. Die Teams stehen bereit. Das Wetter passt. Die Mitarbeiter schmeißen sich in ihre Klettergeschirre, Helme und Warnwesten.

Eine gewisse Anspannung liegt in der Luft. Ein großer Tag – nicht nur für die Silvretta Bahn. Ich frage Roman, ob heute der heikelste Part beim Bau der neuen Bahn ansteht. Er grinst und antwortet „der Schönste“. Man merkt ihm an, dass das nicht seine Erste ist. „Bei meiner ersten Bahn konnte ich in der Nacht vor den Stützentransporten nicht wirklich gut schlafen“, erinnert sich Roman schmunzelnd zurück.

 

Kamow’s Auftritt

Was ist das plötzlich für ein Geräusch? Dumpf, tief und immer lauter. „Die Spinne ist im Anmarsch!“, höre ich einen unserer Mitarbeiter, Georg Wachter, neben mir schreien. Jetzt sehe ich ihn auch. Wie ein Ungetüm fliegt er mit seinen gegenläufigen Doppelrotoren direkt auf uns zu. Er wird immer lauter und lauter... OK höllisch laut! Keine 10 Sekunden später sind wir alle in einer Riesen-Wolke Dreck und Staub verschwunden.

Darf ich vorstellen? Kamow Ka-32. Einer der leistungsfähigsten Schwerlastenhubschrauber der Welt. Sein Abwind kann bis zu 240km/h betragen. Mit abgestelltem Motor am Boden ist er nicht mehr ganz so furchteinflößend wie eben. Dieser Hubschrauber kutschiert Lasten von bis zu 5 Tonnen in der Luft herum. Er wird heute 2,5 bis 3,5 Tonnen schwere Stützenteile an ihren Platz bringen. Ein fünf-köpfiges Team von Heliswiss steigt aus und schließt sich der Einsatzbesprechung an.

 

Zur Mission bereit

Immer noch gefesselt von Kamow’s Auftritt geht jetzt alles ganz schnell. Wir dürfen nicht zu viel Zeit verlieren, da es jetzt schon 20 Grad hat. Wenn es zu heiß wird, hat der Hubschrauber zu wenig Auftrieb und wir müssen den Einsatz abbrechen.
Die drei Boden-Crews mit jeweils sieben Mitarbeitern der Silvretta Montafon, sowie fünf von Doppelmayr und Heliswiss gehen in Stellung. Bei drei Fundamenten auf der neuen Trasse warten sie nun auf ihren Einsatz. Der Hubschrauber startet wieder seine ungeheuerlichen Rotoren. Ein Team bleibt bei den Einzelteilen der Stützen und ist dafür verantwortlich, dass Kamow die richtige Reihenfolge einhält. Der Montagleiter ist einer von ihnen – er ist in Kontakt mit dem Piloten.

 

Jetzt geht’s los

Der unterste Teil von Stütze 13 hängt inzwischen am Heli. Er fliegt Richtung Stützenfundament. Dort steht die Boden Crew bereit. Der Stahlklotz baumelt unter Kamow hin und her. Ich kann kaum hinsehen. Jetzt ist maximale Konzentration gefragt. Jeder Handgriff muss stimmen. Einer der Mitarbeiter erdet den Klotz Stahl, der sich während dem Transport in der Luft elektrostatisch aufgeladen hat. Jetzt zieht das ganze Team an einem Strang: der Mast muss zielgenau auf die Schrauben, die im Fundament einbetoniert sind. Der Pilot und die Boden-Crew leisten Millimeterarbeit. Ein Mitarbeiter von Heliswiss ist mit dem Piloten in Funkkontakt. Der Pilot hat das Kommando. Ich glaube meinen Augen nicht trauen zu können, als er plötzlich das Transportseil löst! Der erste Teil kann nicht schon befestigt sein!? Das ist doch nicht möglich!? Es hält. Das ging schnell. Die Arbeiter schrauben die Stütze noch fester, während Kamow in der Zwischenzeit das nächste Teil holt.

Der Hubschrauber fliegt Teil für Teil abwechslungsweise zu den drei Boden-Trupps. So hat jeder die Chance, sich für den nächsten Einsatz vorzubereiten. Stück für Stück wachsen die Stützen der Silvretta Bahn aus dem Boden. Die Mitarbeiter müssen immer weiter die Leiter hoch steigen, um die oberen Mastenteile zu fixieren. 10 Meter. 15 Meter…

 

Ab 20 Meter Höhe wird’s spannend

Jetzt fehlt nur noch das „Joch“ – das oberste Teil der Stütze, auf dem später die Rollenbatterien montiert werden und noch später das Seil verläuft. Drei Arbeiter stehen auf mittlerweile 20 Meter Höhe. Die Stütze wird nach oben hin immer schmaler. Das macht die Aufgabe – abgesehen von der Höhe – nicht weniger knifflig. Von den Mastenteilen in der Luft hängen Seile herunter. Die Arbeiter fädeln sie in die vorgesehenen Löcher. Dadurch können sie beim Absetzen auch gleich die korrekte Ausrichtung des „Jochs“ bestimmen. Denn so, wie es Kamow absetzt, bleibt es die nächsten 30 Jahre. Ein Verschieben ist dann nicht mehr möglich. Unglaublich, was unsere Mitarbeiter hier leisten.

 

Der Heli läuft heiß

Roman erhält die Nachricht, dass es für Kamow immer schwieriger wird, die Last zu stemmen. Es ist einfach zu warm geworden und die Hubkraft reicht nicht mehr aus. Alle 11 Stützen werden wir heute nicht mehr schaffen. Aber morgen geht es gleich um 6 Uhr in der Früh weiter.

 

Kamow ist eben auch eher ein Winterkind, genau wie ich.

 



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Eine Frau sitzt in der Gondel und blickt sehnsüchtig aus dem Fenster auf die Schneelandschaft
Autor

Annika

Ich mag die Berge. Sehr sogar. Noch lieber, wenn sie mit Schnee bedeckt sind. Skifahren ist für mich das Größte und der Winter meine Jahreszeit. Bin im Montafon aufgewachsen. Dann war ich in der ganzen Welt unterwegs. Habe 5 Jahre in Innsbruck studiert. 2015 bin ich ins Montafon zurückgekommen, weil ich im Marketing-Team der Silvretta Montafon das tun kann, was ich gerne tue: anderen zu vermitteln, dass es nichts schöneres gibt, als Zeit in den Bergen zu verbringen!